Augen.Blick.Raum


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Januar/Februar

Fund des Monats > 2022

"Mind's eye" (Das geistige Auge) von Oliver Whitehead, 1999

Der Film belegte im Jahr 2000 beim Berliner Medienkunstpreis den ersten Rang. Er zeigt uns Zugfensterblicke entlang einer Bahnstrecke, vermutlich durch Stadtrandgebiete in Finnland. Das Fahrtempo liegt wohl bei 50-60 km/h. Die blickführende Kamera sucht immer wieder Graffiti auf Hauswänden, Brückenpfeilern, Unterführungen, Wartehäuschen. Ein sich ebenfalls mehrendes Motiv sind Antennen und Satellittenschüsseln. Ab und an fängt das Objektiv Menschen ein, die sich in der Nähe der Bahntrasse aufhalten. Einige Einzelgegenstände werden - wie bei realen Hinausblicken - einen Moment lang mit dem Blick beim Vorbeihuschen am Zugfenster verfolgt. Auf der Tonspur läuft die künstliche Stimme eines Text-zu-Sprache-Computerprogramms. Sie trägt ganz offensichtlich Auszüge aus einem englischsprachigen Wörterbuch zum Begriffsbereich Kreativität vor. Etwa: "formation of ideas", "imagination"," inspiration", "originality", "fantasy". Dem ist übrigens auch der Titel des Filmes "Mind's eye" zugehörig.

https://www.oliverwhitehead.net/tx/schweifende-blicke.html




Vielleicht passen zur Intention des Filmemachers ja die beiden folgenden Gedankengänge:
"Was uns immer wieder bei der Fahrt mit der Eisenbahn fesselt, ist der Blick hinaus. Vielleicht sehen wir nur Schlote oder Hochöfen, Hinterhäuser oder verschachtelte Dächer, Klötze von Wohnblöcken oder Schrebergärten - auch das Hässliche und Bedrückende gehört dazu. Kein anderes Verkehrsmittel bietet uns eine so geraffte und doch noch deutliche Anschauung von Stadt und Land." (H. Lützeler, Kunsthistoriker,1971)
Zum Beispiel der Reisende im Eisenbahncoupé,
wenn er seelisch unbeschäftigt, in die Landschaft hinausblickt.
Gedankenlos denkt er.
Sein Geist, von den vorübereilenden Erscheinungen geritzt,
antwortet auf die Ritzung, man kann auch sagen: Reizung,
durch leichte Klopftöne, der Mensch gerät in jenen Zustand,
den die Erzähler sinnend nennen …
kaum hat sein Gemüt an einer Erscheinung (rechts oder links vom Schienenstrang) genippt,
wird sie ihm auch schon wieder entzogen.
So gerät er durch das immerwährende Nippen
in einen wundervollen Zustand zwischen Durst und Rausch.
Alfred Polgar (1928)





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