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Juli/August

Fund des Monats > 2021

"Hales Tours an Scenes of the World" 1904 und 1912

https://www.montage-av.de/pdf/172_2008/172_2008_Die_Hales_Tours-Ultrarealismus_im_Film_vor_1910.pdf


Filmische Landschaftsaufnahmen mit vorn auf Lokomotiven montierten Kameras, die sogenannten "Phantom Rides" waren Ausgangspunkt einer Filmvorführ-Idee des US-Amerikaners George C. Hale: In eigens nachgebauten Eisenbahnwaggons plaziert, konnten Besucher solche filmischen Passagen als Illusion einer tatsächlichen Reise - etwa durch nordamerikanische, schweizerische, chinesische und japanische Gefilde - erleben.
Die Standorte befanden sich oft auch in von Eisenbahngesellschaften betriebenen Vergnügungsparks. Als passender Eingang diente meist eine Gebäudefassade die im Stil eines Zugdepots gestaltet war. Im Vorführwagen gab es in der Regel 60 Sitzplätze. Eine Vorführung dauerte 20 bis 25 Minuten. Die Filme wurden wöchentlich gewechselt.
Auf Rollen und Walzen unter den Aufbauten lief ein Endlosband, aus dem Stifte ragten. Diese schlugen gegen eine Metallplatte unter dem Fußboden und erzeugten so das typische Rattern während einer Zugfahrt. Das Tempo des Bandes konnte so angepaßt werden, daß es dem Anfahren, Anhalten, Beschleunigen oder Abbremsen des Zuges nahekam, von dessen Lok aus der Film aufgenommen worden war. Ein zuschaltbares Gebläse sorgte für Fahrtwindatmosphäre. Durch die Neigungsmöglichkeit entlang der Längsachse der Sitzfläche konnte während der Filmvorführung zudem noch zusätzlich ein Hin-und-Her-Schwanken erzeugt werden.
Die "Hales Tours an Scenes of the World" wurden an mehreren hundert lizensierten Aufführungsstätten in den USA sowie zusätzlich in Südamerka, Europa, Südafrika und Asien gezeigt. Sie gelten als Schrittmacher bei der Einführung und Popularisierung des frühen Films, auch weil sie die erste weit verbreitete und für längere Zeit an festen Orten platzierte Form der Filmvorstellung waren. Sie spielten damit eine wichtige Rolle, ein breites Publikum an das neue Medium Film heranzuführen. Die damit verbundene enorme Nachfrage nach Filmproduktionen und -Vertrieb war wichtige wirtschaftliche Grundlage für die Herausbildung der Filmindustrie.
Besonders bemerkenswert ist auch daß einige der Betreiber solcher Vorführungsstätten später zu führenden Persönlichkeiten der US-amerkanischen Filmindustrie aufstiegen. So etwa Sam Warner als Eigner der Warner Bros Studios, Adolph Zukor als Präsident von Paramount Pictures oder Carl Laemmle als Gründer von Universal Pictures.



Patentzeichnung: Waggonnachbau zur Filmvorführung von Landschaftsdurchfahrten
(Anmelder: George C. Hale, 1905)
Erkennbar sind die ansteigenden Sitzreihen zur Verbesserung der Sicht auf die Filmleinwand sowie die zur Imitation von Fahrbewegungen darunter installierte Mechanik.





Blick in einen Waggonnachbau zur Filmvorführung von Landschaftsdurchfahrten (Hales Tours and Scenes of the World). Erkennbar sind auf die Filmleinwand blickende Besucher.





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