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Fund des Monats > 2020


Eberhard Havekost, Filter 2 (2003)
Öl auf Leinwand, 100 x 200 cm, Kunstmuseum Wolfsburg


Der träumerische Blick aus dem Fenster bei einer Zugfahrt ist wohl jedem vertraut.
Auf Havekosts Gemälde Filter 2 dehnt sich dabei die Leere der vorbeifließenden und ver-schwimmenden Landschaft noch zusätzlich durch die Leinwandgröße aus.
Die Alltäglichkeit und Ereignislosigkeit dieser Szene lenkt damit den Blick ab vom Darge-stellten hin zu den formalen Elementen der Bildgestaltung. Der Betrachter nimmt darin eine leicht erhöhte Perspektive ein, denn der Fensterrahmen ist nicht orthogonal abgebildet und außerdem leicht abgeschnitten. Damit erinnert das Gemälde an das leicht verwackelte Foto eines Amateurfotografen.
Tatsächlich zieht Havekost seine Motive aus anderem Bildmaterial – seien es Zeitschriften oder eigene Fotografien. Indem er es mit der Malerei wieder aufgreift, wird das ursprüngliche Motiv aus seinem Kontext gerissen und verliert an Bedeutung. Entscheidender wird hinge-gen die Frage danach, wie wir die Welt um uns herum sinnlich erleben und nach der Art und Weise der Darstellung.
Dabei thematisiert Havekost einen zunehmenden medialen Einfluss auf unsere Wahrneh-mung der realen Welt, denn das abgemalte found footage durchläuft mehrere Filter.
„Wie bei den Blicken auf das, was an uns vorbeirast, geht es mir darum, zu fragen, mit welchen Filtern wir wahrnehmen, damit wir erkennen, wie wir unsere Eindrücke mit der Wirklichkeit verwechseln. […] Meine Malerei soll unsere Filter dechiffrieren.“[1]
Für Filter 2 bedeutet dies konkret, dass die Landschaft zunächst durch die kalte Glasscheibe des Zugfensters eine eigene Erscheinung erhält. Darauf folgt die Verzerrung durch die Kameralinse. Die Fotografie kann zudem noch durch ein Bearbeitungsprogramm verändert worden sein, bis das Bild schließlich als Vorlage für das Gemälde verwendet wird.
Erst der offensichtliche Eingriff, den die Malerei in unserer Wahrnehmung der Welt vornimmt, führt vor Augen, dass es sich bei allem Erlebten letztlich nur um Eindrücke handelt. 
Klara Niemann

[1] Eberhard Havekost, zit. nach Annelie Lütgens, „Bildraum/Denkraum. Havekosts Malerei als Bildwissenschaft“, in : Eberhard Havekost. Harmonie. Bilder 1998–2005, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Wolfsburg; Stedelijk Museum, Amsterdam, Ostfildern 2005, S. 11–32, hier S. 12.


https://www.kunstmuseum-wolfsburg.de/sammlung/eberhard-havekost/filter-2/


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