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Fund des Monats > 2024
Was denken Choreographen, wenn sie im Zug sitzen, auf Weiden, grasende Kühe schauen?
Sie sehen die vorbeiziehenden Bilder, die ständig sich verändernde, verschiebende Perspektive und gewinnen daraus eine Bühnenidee.
Wenn schon, so die Prämisse, der Zuschauer im Theater an einem festen Punkt sitzt, so sollen sich wenigstens die getanzten Bilder vor ihm - ähnlich einer Zugfahrt - ständig in ihrem Blickwinkel ändern.Das Ergebnis, das gut einstündige Stück "Cows in Space", präsentierte der junge Schweizer Choreograph Thomas Hauert …
Fünf Personen, drei Männer und zwei Frauen, betreten einen exakt quadratischen, von weißen Linien markierten Raum.Über ihnen ziehen strahlenförmig gespannte Schnüre einen perspektivischen Fluchtpunkt. Der Boden ist über und über mit bunten Markierungen bedeckt - möglichen Ausgangspunkten im Raum.Langsam tasten sich die Tänzer mit fahrigen, abgewinkelten Bewegungen in die Szene. Allmählich beschleunigen sich die improvisiert wirkenden Aktionen, kommen bald schon wieder zur Ruhe. …
Die Einleitungssequenz gibt den Rhythmus von "Cows in Space" vor: Beschleunigung und Verlangsamung, An- und Abschwellen …
So sehr Hauert den äußeren Bewegungsfluß und den steten Perspektivwechsel in Gang hält, so sehr
kollabiert ihm der inhaltliche Spannungsbogen."Cows in Space" erweist sich als endlose formale Variation, aus der der Zuschauer allmählich abdriftet. Unbeteiligt läßt er die Bilder vorüberziehen, ganz ähnlich dem ermüdeten Blick aus dem Abteilfenster.
TAGESSPIEGEL, 30.03.1999 https://www.tagesspiegel.de/kultur/freundliche-kuhe-595669.html
Cows in Space ist von der optischen Täuschung eines Zugpassagiers inspiriert, der Kühe in der Landschaft vorbeihuschen sieht, und bezieht sich auf das Thema der relativen Bewegung. Mit seiner großen Vielfalt an Bewegungen und Mustern sorgte die Aufführung für ein starkes visuelles Erlebnis.
Einen ersten Versuch mit dieser Arbeitsweise machte ich während meines Studiums an der Rotterdam Dance Academy. Für jeden der fünf Tänzer entwarf ich ein Bodenmuster, das aus jeweils drei sich kreuzenden geometrischen Figuren bestand: einem gleichseitigen Dreieck, einem Quadrat und einem Kreis. Jede Form gab es in drei verschiedenen Größen und jedes der Bodenmuster enthielt eine
große, eine mittlere und eine kleine Form. Es war erstaunlich zu sehen, welche Spannung im Raum zwischen den Tänzern entstand, nur weil sie gleichzeitig ihre Kreisbahnen gingen. Es war, als würden die Tänzer durch magnetische Kräfte bewegt.
Thomas Hauert, Herbst 1997 (Textauszug,Übersetzung aus dem Englischen) https://zoo-thomashauert.net/en/works/cows-in-space